Ukraine 2018

In unserem Alter (Anfang 30) ist es nichts ungewöhnliches, wenn Freunde heiraten. Seltener ist es da schon, wenn sich Freunde im Ausland trauen. Besonders nach Osteuropa hat es von meinen Freunden bis jetzt noch niemanden verschlagen, um sich das Jawort zu geben. Nun war es also soweit: Auf nach Schytomyr. Zugegeben – es liegt wohl auch ein bisschen daran, dass die Braut dort ihre Wurzeln hat 🙂

Ich muss gestehen, die Ukraine ist jetzt nicht das erste Land, dass mir in den Sinn kommt, wenn jemand Hochzeit (bzw. für die Gäste Sommerurlaub) schreit, aber hey: Warum eigentlich nicht?

So kam es also, dass Savi und ich unseren Koffer packten und uns in unser kleines Auto setzten und gen Frankfurt fuhren.

Inhaltsverzeichnis

15. August – Die Ankunft
16. August – Kiew ToGo
17. August – Der Transfer
18. August – Die Hochzeit
19. August – Schytomyr ToGo
20. August – Die Rückkehr

15. August – Die Ankunft

Die Fahrt nach Frankfurt war erstaunlich ereignislos. Nachdem wir unseren Zweisitzer im Parkhaus abgeben hatten und mit dem Shuttlebus zum Flughafen gefahren wurden, gaben wir gleich unseren Koffer ab und erfuhren, dass wir im Flugzeug nicht nebeneinander sitzen könnten. Ihr kennt vielleicht diese Sätze, die mit „Ich bin ja kein/nicht […], aber[…]“

Ich bin ja nicht abergläubisch, aber neben Savi im Flieger zu sitzen hat eine ungebrochene Tradition.

Dazu später mehr. Nachdem wir am Counter erfolglos waren, beschlossen wir zumindest bei der Nahrungsaufnahme im „güldenen M“ nebeneinander zu sitzen. Übrigens kann man da jetzt richtig futuremäßig per Touchscreen bestellen. Wow.

Spulen wir ein bisschen vor, da es mir selbst gerade langweilig wird. Im Bus zum Flugfeld trafen wir Lucas und Anne, die das gleiche Ziel wie wir haben. Exemplarisch für unsere allgemeine Verpeiltheit: Lucas und Anne stiegen ganz vorne ein, obwohl ihre Plätze ganz hinten waren und wo Savi und ich einstiegen (und wo unsere Plätze waren) kann man sich dann ja denken. Wir quetschten uns also aneinander vorbei und quatschen die Stewardess an, ob wir nicht vielleicht doch bitte, bitte nebeneinander sitzen könnten. Ja, wenn das Boarding abgeschlossen sei, könnte man mal schauen. Also machten wir heiteres Seathopping, bis wir immer weiter nach hinten kamen. Der aufmerksame Leser kann es sich schon denken: Am Ende nahmen wir in der letzten Reihe, genau gegenüber von Lucas und Anne, Platz.

Immerhin: Savi und ich saßen nun nebeneinander, das Universum und Raum-Zeit-Kontinuum hatten weiterhin bestand.

In Kiew gelandet, tingelten wir durch die Passkontrolle und nahmen unseren Koffer in Empfang. Wir wiederum wurden von einem mega freundlichen Fahrer in Empfang genommen. Da Nastya (die Braut) dem Fahrer Bilder von uns geschickt hatte, empfing uns dieser wild winkend am Ausgang des Flughafens.

An dieser Stelle mal ein ganz dickes Lob an die Organisation von Nastya. Sie hängte sich unglaublich rein, um alles zu koordinieren und Fahrer zu bestellen, damit die ganze Truppe von A nach B kam.

Wir stiegen in das silberne Auto, der Motor startete und O-Zone schmetterten uns ihr Dragostea Din Tei aus den Boxen entgegen. Erster Eindruck und so 🙂

Kiew zog an uns vorbei und irgendwann waren wir am Hotel angekommen. Nastya nahm uns in Empfang, quatschte kurz mit dem Fahrer und schickte ihn mit Lucas und Anne weiter zu deren Airbnb.

Auf die Frage des Rezeptionisten ob wir unser Zimmer lieber unten oder oben haben wollten („high or low room?“), antwortete ich, wegen der besseren Aus- und Übersicht, selbstverständlich „high“. Auch das sollte ein paar Stunden später noch wichtig werden.

Wir stiegen mit Nastya in den Bus und fuhren ins Zentrum, um dort Engin (Bräutigam), seine Familie und eine Hand voll Freunde zu treffen und Abend zu essen. Wir waren in einem gehobenen Lokal, dass traditionelle ukrainische Speisen anbot, für unsere Verhältnisse aber dennoch recht günstig war. Das Essen war klasse, der Wodka floss in Strömen und die Stimmung war ausgelassen. Anschließend gingen wir noch in eine Kellerbar und probierten uns durch diverse Biersorten. Ein Hoch auf die osteuropäische Trinkkultur – stilecht gab es natürlich allerlei leckeres zur Hopfenkaltschale gereicht. Pferd schmeckt übrigens gar nicht so übel 😉

Irgendwann waren wir dann bedient für den ersten Abend und machten uns auf den Heimweg. Eigentlich wäre nun auch der Zeitpunkt, den Tag erzählerisch abzuschließen und zum nächsten Tag überzugehen, wenn da nicht noch eine „Kleinigkeit“ passiert wäre.

Dazu muss ich etwas ausholen:

Wer mich kennt, weiß dass ich ein Freund der frischen Luft bin. Deswegen öffnete ich vor dem Schlafen gehen auch noch soweit es ging unser Fenster. Dank der Kraft der Kiewer Spirituosen knackte ich instant weg.

Lange konnte ich den Schlafe aber nicht genießen, denn ich wurde jäh durch lautes Getöse aus meinem Schlummer gerissen. Draußen entschloss sich das Wetter mal so richtig zu zeigen, was es alles kann und jagte uns Regen, Hagel und Blitze um die Ohren. Also schnell aufgestanden, Fenster zu, Klima an, wieder hingelegt und eingeschlafen.

Es muss ziemlich genau 3 Uhr nachts gewesen sein, als es plötzlich wieder laut wurde. Ich dachte zuerst, es wäre der Fernseher gewesen, weil es wohl auf Russisch/Ukrainisch war – aber so laut? Es war eine Durchsage über die Lautsprecheranlage unseres Zimmers.

Lacht mich ruhig aus, aber im Halbschlaf dachte ich wirklich kurz, dass Russland ein anderer Staat die Ukraine angreifen würde. Hatte ich doch während der Fahrt vom Flughafen in die Stadt einiges an militärischem Gerät herumstehen sehen.

Dann kam aber die englische bzw. deutsche Übersetzung und es war klar:
Feueralarm, nichts wie raus!

Weiter oben schrieb ich, dass die Wahl unseres Zimmers bzw. unseres Stockwerks noch einmal von Bedeutung sein würde.

Wir zogen uns also das Notwendigste an, schnappten uns die wichtigsten Habseligkeiten (außer der Pässe natürlich, gell Savi?!) und nahmen unsere Beine in die Hand. Instinktiv wollte ich rechts aus unserer Tür Richtung Fahrstühle und Treppenhaus, doch da versperrte nun eine geschlossene Brandschutztür unseren Weg. Neuorientierung. Ok, geradeaus gab es ein zweites Treppenhaus. Nichts, wie los. Also sprinteten wir 15 Stockwerke herunter und standen nach zahllosen Runden im Treppenhaus irgendwann vor dem Hotel. Dort trafen wir Daniel und Regina wieder, die im gleichen Hotel wie wir residierten. Scheinbar waren sie auch noch ein bisschen verschlafen, Regina hatte einen Slipper am Fuß, den anderen in ihrer Hand 🙂

Relativ bald wurde klar, dass es nur ein Fehlalarm war und die Fahrstühle brachten uns zügig wieder in den obersten Stock. Im Zimmer angekommen und das Licht eingeschaltet merkte ich zum ersten Mal das Ergebnis meiner nächtlichen Frischluftkur. Das halbe Zimmer stand unter Wasser. Hatte ich nachts (ohne Licht) gar nicht so gemerkt. Also vor dem Schlafen gehen noch schnell aufgewischt, der Hausmann von heute weiß sich ja zu helfen. Glücklicherweise blieb mein komplettes Kamera Equipment, das neben dem Fenster zum Aufladen lag, verschont.

Schlafen ging nach der ganzen Aufregung dann nur noch so mittelgut.

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16. August – Kiew ToGo

Nach der ganzen Aufregung in der Nacht waren wir am nächsten Morgen (streng genommen eigentlich Mittag) dementsprechend gerädert. Gegen High Noon trafen wir uns mit Daniel (wir immer bester Laune) und Regina (dieses Mal mit beiden Schuhen an den Füßen) und spazierten Richtung Zentrum, um unsere Freunde zu treffen. Das nächtliche Unwetter hatte seine Spuren hinterlassen und einige Bäume in Mitleidenschaft gezogen. Die Überschwemmungen waren weitestgehend zurückgegangen.

Nach einem kurzen Anruf trafen wir die Anderen dann direkt in der Wohnung von Engin und Nastya. Was soll ich sagen, der Fahrstuhl war mit Sicherheit der engste und vor allem älteste in ganz Kiew (vllt. sogar der ganzen ehemaligen Sowjetunion) und die Wohnungen zapften einfach von irgendwo den Strom ab. Dementsprechend hingen im Treppenhaus auch dicke Kabelgewülste von der Decke. So geht authentisch wohnen. In der Wohnung trafen wir dann Wolfram, Florian und Leonora, die die komplette Nacht durch mit Flixbus und Rumpelflieger angereist waren.

Da für gewisse Leute die Nacht noch kürzer war, weil sie mit ihrem Bruderherz noch um die Häuser gezogen waren, teilten wir uns auf und tranken gegenüber der Wohnung unseren ersten Kaffe. Mehr als Filterkaffe oder Limonade gab es unwetterbedingt in dem Laden auch gar nicht, weil wohl der Strom ausgefallen war. The struggle is real.

Halbwegs wach starteten wir dann unsere, von Nastya minutiös geplante, Touri-Tour. Zuerst gingen wir zum Majdan Platz, manche werden ihn noch aus den Nachrichten kennen, wo 2004 im Rahmen der Orange Revolution protestiert würde oder 2013/2014 von den Euromaidan-Protesten, wo so richtig die Fetzen bzw. die Steine flogen. Uns bot sich ein friedlicher Eindruck. Ein paar Touristen posierten für Selfies, ein paar Skater zeigten ihre Tricks am Brunnen (=Denkmal der Gründer Kiews) und ein paar Arbeiter stellten ein Gerüst vor dem Unabhängigkeitsdenkmal für den kommenden Unabhängigkeitstag und die damit verbundenen Festlichkeiten und Militärparade.

Weiter ging es Richtung Nordosten vorbei an der (geschlossenen) nationalen Philharmonie zu den Treppenstufen, die zum Denkmal für das Magdeburger Rechts herabführten. Auch hier forderte der nächtliche Sturm seinen Tribut und neben heruntergefallenen Ästen war auch einiges an Schlamm auf den Treppen und am Ufer des Dnepr, das wir anschließend erreichten. Nach einer kurzen Trinkpause gingen wir über eine Schleife wieder zurück zu den Treppen, stiegen diese wieder hinauf und spazierten Richtung Kiewer Schiffsanleger. Anschließend nahmen wir die Metro Richtung goldenes Tor. Auch wenn wir zwischenzeitlich Landeswährung (UAH) abgehoben hatten, wollte ich unbedingt am Metro-Drehkreuz mit Google Pay bezahlen. Worked like a charm. Pro Person haben wir für eine einfache Fahrt übrigens 8 Hrywnja, also 0,25 Euro, bezahlt.

Am goldenen Tor angekommen, passierten wir das Denkmal für Jaroslaw den Weisen und trafen eine Ecke weiter auf einen durchaus ausgeschlafenen Engin. Da gerade Happy Hour war, gingen wir in ein angrenzendes asiatisches Restaurant und bekamen von allem was wir bestellten die doppelte Portion. Nach dem wir uns durch köstliche Berge von Sushi und anderen Leckereien gefuttert hatten, staunten wir nicht schlecht, als wir pro Person gerade mal umgerechnet 5 Euro irgendwas zahlen mussten.

Nach dem Essen machten wir einen ausgedehnten Spaziergang durch die Stadt und statteten unter anderem der Bessarabska-Markthalle einen Besuch ab. Dort gibt es echt alles. Und wenn ich alles schreibe, meine ich alles.

Langsam schlenderten wir wieder Richtung Majdan Platz, denn ein weiterer Programmpunkt stand uns bevor: Abendessen.

Nastya und Engin reservierten für uns einen Tisch in The Last Barricade und wir wurden nicht enttäuscht. Zuerst musst du eine geheime Passphrase nennen, ohne die du das Restaurant nicht betreten kannst. Leider darf ich diesen Satz nicht verraten. Ist aber auch kein großes Problem, da ich ihn mir sowieso nicht merken konnte.

In den heiligen Hallen angekommen fühlt es sich dann so ein bisschen wie das Disneyland der Restaurants an. Mehr möchte ich nicht verraten, um nicht zu viel zu spoilern.

Nach einem weiteren ausgelassenen Abend, mit vollen Bäuchen und Dank des Wodkas mit einigen Umdrehungen, machten wir uns dann mit Daniel und Regina zu Fuß auf den Weg Richtung Hotel. Anschließend fielen wir in unseren verdienten, feueralarmfreien und dadurch erholsamen, Schlaf.

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17. August – Der Transfer

Unseren letzten Tag in Kiew begannen wir mit einem ausgedehnten Frühstück im Hotel. Nachdem wir unsere sieben Sachen gepackt hatten, warteten wir in der Lobby auf unser Shuttle Richtung Schytomyr. Die erste Hälfte des Tages bestand daher auch aus der Fahrt zwischen den beiden Städten. Während Engins Eltern, Daniel, Regina, Savi und Engin selbst irgendwann eingeschlafen waren, fotografierte ich wie besessen aus dem Fenster unseres Fahrzeugs und probierte diverse Einstellungsmöglichkeiten durch. Im Zweifel Kunst.

In der Provinz, Entschuldigung, Schytomyr angekommen, bezogen wir unsere Zimmer und schlenderten anschließend Richtung Kino, um uns im angrenzenden italienischen Restaurant einen kleinen Snack zu genehmigen. Der Nachmittag bestand größtenteils aus Erholung im Hotel, da wir alle ein wenig platt waren und ich während der Fahrt keinen Schlaf tanken konnte. Trotzdem testete ich meinen neuen Workflow on the go (an anderer Stelle später mehr dazu) und sicherte und sichtete die ersten Bilder unseres Trips.

Abends trafen wir Nastyas Familie und gingen georgisch Essen. Georgische Teigtaschen sind so unglaublich lecker! Danach gingen wir über die Straße in einen BBQ-Laden und lernten bei einem gemütlichen Bier Sascha (eine gute Freundin von Nastya) und Rostig kennen. Allzu lange saßen wir aber nicht mehr beieinander, da der nächste Tag ein großer Tag werden würde.

Ein großer Tag für Engin und Nastya.

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18. August – Die Hochzeit

Am nächsten Morgen saß Engin mit seinen Eltern schon am Tisch im Frühstücksraum des Hotels. Eine leichte Anspannung war ihm anzusehen. Nastya war schon wieder auf ihrem Zimmer, bei ihr war die Aufregung etwas größer 😉

Nachdem Savi keine Möglichkeit ausließ zu betonen, dass sie gerne helfen könnte und würde, kam Engin an diesem Morgen tatsächlich darauf zurück. In einer gewissen Tradition (hüstel…Bewerbungsbilder…räusper) oblag Savi dann die essentielle Aufgabe die Wogen und Falten von Engins Hochzeitsoutfit zu glätten.

Praktischerweise gab es auf unserem Stockwerk ein extra dafür eingerichtetes Bügelzimmer. Während Savi also Engins Klamotten den letzten Schliff verpasste, versuchte ich meinen Haaren Einhalt zu gebieten. Das hat dann Dank Daniels geliehenen Alleskleber Haarspray auch erstaunlich gut funktioniert. Das erste Mal seit Monaten sah ich wieder aus wie ein Mensch.

Anschließend rief mich Engin, ob ich ihm mit seinem Gepäck helfen könnte, da ich mit allem fertig war, ging es also in Engins Zimmer. Er war noch nicht ganz bereit, also machte ich ein paar Schnappschüsse. Nachdem wir die Koffer in unserem Zimmer verstaut hatten, warteten wir gemeinsam in der Lobby auf Daniel und stiegen dann in das Taxi Richtung Barbershop.

Es dauerte nicht wirklich lange bis wir den Barbershop gefunden hatten, noch kürzer dauerte nur der Moment bis wir uns unser erstes Bier genehmigten. Robert war zwischenzeitlich zu uns gestoßen und während Engin schick gemacht wurde, unterhielten wir drei uns angeregt. Da wurde mir klar, dass wir eine echt gute Truppe sind und es richtig gut tat mit den Jungs abzuhängen. Alles war harmonisch und ungezwungen, es kam nie irgendwie der Gedanke auf: Was sind das denn für Typen, hoffentlich bin ich bald wieder zu Hause. Also die besten Vorzeichen für einen schönen, entspannten Tag.

Nach getaner Arbeit spazierten wir noch ein bisschen über den Marktplatz, ich hob etwas Geld ab und wir sahen gefühlt alle Motorradfahrer Schytomyrs in einer Kolonne an uns vorbeifahren. Sicherlich irgendein Treffen gewesen.

Da es sich auf leeren Magen schlecht feiern und noch schlechter bechern lässt, statteten wir dem BBQ-Restaurant unserer Wahl noch einen Besuch ab und gönnten uns eine ordentliche Mahlzeit. Was ich im Nachhinein echt vermisse, sind die ganzen Gespräche, die sich in solchen Situationen ganz natürlich entspannen. Gerade das Zuhören war oft sehr spannend, gerade wenn jeder ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudert.

Mit gut gefüllten Mägen warteten wir auf unser – Achtung aufgepasst – Elektrotaxi, das uns Lena (Roberts Frau) freundlicherweise rief.

Die Häuser zogen an uns vorbei und irgendwann verließen wir die Stadt und fuhren die Landstraße entlang. Am Horizont war schon das kleine Waldstückchen erkennbar, wo gleich das Fest steigen würde. Kaum aus dem Taxi ausgestiegen hatten wir schon unseren ersten Drink in der Hand. Hach, die ukrainische Gastfreundschaft ist einfach herzerwärmend und die Ukrainer  sind mehr als herzlich.

Schon bald wurden wir vom Zeremonienmeister zusammengerufen und stellten uns klassisch nach Braut- oder Bräutigamzugehörigkeit entweder links oder rechts eines schön dekorierten Blumenbogens auf. Dann wurde es ernst: Engin wartete schon am Bogen und Nastya betrat die Szene. Applaus. Nach einer kurzen und emotionalen Rede des Moderators, gaben sich unsere beiden Freunde gegenseitig das Jawort und ihre Ehe war besiegelt.

Anfang des Tages bat uns Engin noch darum, unsere Handys während der Hochzeit ausgeschaltet bzw. ungenutzt zu lassen und ich muss sagen, es hat wunderbar funktioniert. Keine filmenden und fotografierenden Gäste, die die komplette Stimmung zerstören. Wunderbar! Dafür gab es Profis (Foto und Bewegtbild) und so konnten wir uns alle unserer einzigen Aufgabe dieses Tages zuwenden: Ausgelassen feiern.

Für mich war es sehr erfrischend endlich mal wieder auf einer Hochzeit als Gast und nicht der Arbeit wegen zu sein. Ja, ich gebe zu, ich hatte meine kleine, feine Ricoh GR in meiner Hosentasche zur Hochzeit geschmuggelt, habe mich aber sehr zurückgehalten und den Profis das Feld überlassen. Es war dann auch ein fließender Übergang – im wahrsten Sinne des Wortes: Je mehr Alkohol floss, desto mehr Griff ich zur Kamera und fotografierte gerne auch Mitten im Getümmel. So bekommen Engin und Nastya im Anschluss die Außenperspektive der Profis und die Innenperspektive eines guten Freundes.

Mein Lieblingsbild entstand dann auch beim traditionellen Brotbrechen, wobei ausgekegelt wurde, wer in der Ehe die Hosen anhaben werden würde. Nach dem sensationellen Coaching Roberts (er ballt im Hintergrund übrigens die Beckerfaust), ging Engin als klarer Sieger hervor und ließ sich feiern. Puh, Glück gehabt! Später gab es dann noch eine ordentliche Sektdusche, wofür ich mich extra auf den Boden gelegt hatte, um möglichst alle auf das Bild zu bekommen. Fotografisch mein zweiter Favorit des Abends, auch wenn meine Schuhe mit auf dem Bild sind 🙂

Ich weiß nicht, ob ich jemals so viel und so ausgelassen getanzt habe, dennoch bin ich mir sicher, dass ich irgendwann den ganzen Alkohol und das ganze Essen der letzten Tage einfach herausgeschwitzt und -geschüttelt hatte. Dementsprechend platt war ich auch am Ende des Abends und ließ mir von Savi vorsorglich schon mal eine Kopfschmerztablette geben. Vorsicht ist besser als Nachsicht.

Die Rückfahrt zum Hotel war etwas holprig, da die Straßen Schytomyrs nicht unbedingt eine ebene Fläche darstellen. Von herannahenden Gewitter bekamen wir dann auch nichts mehr groß mit und fielen, im Hotelzimmer angekommen, nahezu instant in den wohlverdienten Schlaf. Wohlwissend, dass wir heute alle einen denkwürdigen und wunderschönen Tag im Kreise unserer Freunde miterleben durften.

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19. August – Schytomyr ToGo

Dank meines Geistesblitzes am Vorabend hatte ich nicht mal den leisesten Anflug eines schweren Kopfes. Lediglich ein bisschen tanzbedingter Muskelkater steckte mir in den Beinen.

Auch der Rest der Truppe war erstaunlich fit, wenn man den gestrigen Tag und vor allem die Nacht bedenkt. So kam es, dass wir uns alle nach und nach im Zentrum von Schytomyr am Marktplatz unter den bunten Regenschirmen einfanden, um gemeinsam loszuziehen. Der erste Halt war der Basar von Schytomyr. Ähnlich Kiew gab es auch dort gefühlt alles was das Herz begehrt und darüber hinaus. Lucas kaufte sich einen Becher mit den bittersten Beeren, die ich je probiert hatte. Annes Gesicht, nachdem sie davon probiert hatte, sprach Bände. Nastya empfahl mir ein paar Backwaren und so schlang ich hungrig Blätterteigteilchen und Würstchen im Schlafrock herunter.

Nachdem wir genug vom Basar hatten, schlenderten wir weiter Richtung Park. Wir gingen eine lange Allee entlang, wo es allerlei zu bestaunen gab: Pferde, Ponys, fahrbare Untersätze für die Kleinen, Zuckerwatte-Stände, musizierende Hare Krishnas und und und. Unser Weg führte uns durch eine Art Vergnügungspark (wenn ich Google Maps richtig verstanden habe, ist der Park Yuri Gagarin gewidmet), wo einfach so ein riesiges Flugzeug stand. Die meisten Fahrgeschäfte hatten bereits ihre besten Tage lange gesehen.

Der Park öffnete sich und wir blickten auf eine große Hängebrücke, die sich über den Teteriw spannte. Wir genossen die Aussicht und machten ein paar Fotos von uns auf der Brücke. Was der gemeine westeuropäische eben so macht. Irgendwann sprang dann noch jemand von der Brücke. Passiert ist aber nichts, da er angeleint war.

Auf dem Rückweg genehmigten wir uns noch einen (alkoholfreien) Drink in einem Kaffee und zogen dann weiter zum Kosmonautik Museum. Das Museum ist dem wohl bekanntesten Sohn Schytomyrs gewidmet, Sergei Pawlowitsch Koroljow. Er war unter anderem der Konstrukteur des Sputnik 1 (des ersten künstlichen Erd-Satelliten) und sorgte dafür, dass Juri Gagarin, als erster Mensch der Welt unsere Erde verlassen und den Weltraum besuchen konnte.

Nach einer kurzen Pause zurück in unserem Hotelzimmer, ging es dann zu Fuß Richtung Irish Pub, wo wir unseren letzten gemeinsamen Abend verbrachten. Langsam merkte ich zu diesem Zeitpunkt, dass bei mir die Luft raus war und mich die Müdigkeit übermannte. Da wir am nächsten Tag arschfrüh zur Abreise antreten mussten, gingen wir auch bald wieder Richtung Hotel. Davor kam aber die große Verabschiedung, natürlich nicht ohne Highfives und herzlichen Umarmungen. Freunde, es war mir ein Fest!

Lucas und Anne begleiteten dann Savi und mich, da wir einen ähnlichen Weg hatten und wir quatschten den ganzen Heimweg angeregt miteinander. Irgendwann hieß es dann aber auch Abschied nehmen und so gingen wir an einer Kreuzung schließlich alle unserer Wege.

Kaum im Hotelzimmer angekommen, fiel ich aufs Bett und meine Augen fielen zu. Dein Körper ist nicht blöd und holt sich irgendwann zurück, was du dir von ihm ausgeborgt hast. Dementsprechend habe ich geschlafen wie ein Stein.

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20. August – Die Rückkehr

Der Morgen brach früh für uns an. Noch ein bisschen verschlafen packten wir unseren Kram zusammen und verließen zum letzten Mal unser Hotelzimmer. Savi versuchte sich noch ein kleines Frühstück zu organisieren, was tatsächlich funktionierte, da das Hotelpersonal gerade das Frühstück vorbereitete. Während sie sich mit Snacks eindeckte, beschloss ich eine kleine Runde vor dem Hotel zu drehen. Das morgendliche Licht war geradezu magisch und als wollte mir Schytomyr zum Abschied ein besonderes Geschenk machen, tobten zwei ziemlich zutrauliche Hunde auf der Wiese vor dem Hotel im Gegenlicht.

Irgendwann pfiff es dann hinter mir und ich ignorierte es zuerst geflissentlich. Niemand würde mich hier kennen und nach mir pfeifen. Als es dann aber wieder pfiff, drehte ich mich doch um und sah Wolfram neben unserem Taxi zum Flughafen stehen. Leonora und Florian stiegen aus und winkten mir zu. Zeit nach Savi zu schauen.

Auf der Fahrt zum Flughafen lernten wir dann noch das ein oder andere Mal „the ukrainian way of drive“ kennen. Ein Wort zum Verständnis: Abenteuerlich. Am Flughafen angekommen hatten wir noch jede Menge Zeit, die wir mit einem ausgedehnten Frühstück überbrückten.

Unsere Plätze im Flugzeug lagen selbstverständlich mal wieder weit auseinander und so fuhren Savi und ich die selbe Taktik wie beim Hinflug. Tatsächlich saßen wir sogar auf den exakt gleichen Plätzen. In Frankfurt angekommen mussten wir eine Routine Passkontrolle direkt am Flugzeug über uns ergehen lassen. So etwas hatten wir bis jetzt auch noch nicht. Die Beamten waren aber freundlich und so kamen wir zügig weiter. Nachdem wir dann endlich unseren Koffer hatten, hieß es mal wieder Abschied nehmen. Dieses Mal von Wolfram, Florian und Leonora. Wir nahmen den Shuttlebus zum Parkhaus und stiegen in unser Auto.

Zum Abschluss hatte sich Savi gewünscht, dass wir noch nach Frankfurt hineinfahren und indisch essen gehen. Nach den ganzen Fleischgelagen der letzten Tage eine willkommene Abwechslung. Vor allem wenn man bedenkt, dass Savi nur Geflügel isst und es in der Ukraine eher Richtung Schwein und Rind geht. Das Essen war prima und ehrlich gesagt habe ich noch nie eine so freundliche und zuvorkommende Bedienung erlebt. Großes Lob! Mit vollen Mägen schlenderten wir anschließend zurück Richtung Auto und fuhren nach Hause.

Ende.

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